Editorial

  • Joachim Galuska
  • Liane Hofmann
  • Dorothee Wienand-Kranz
Schlüsselwörter: Editorial

Zusammenfassung

Liebe Leserinnen und Leser,
Sie halten ein in mehrfacher Hinsicht besonderes Heft in der Hand: Das herausstechende Merkmal ist wohl die Namensänderung: Bewusstseinswissenschaften – Transpersonale Psychologie und Psychotherapie. Der Grundgedanke besteht darin, mehr das Thema des Bewusstseins in den Vordergrund zu stellen als die transpersonale Orientierung. Die transpersonale Psychologie und Psychotherapie sind mit dem Anspruch angetreten, das Wissen der spirituellen Wege und der Philosophie mit der modernen Psychologie und Psychotherapie zu verbinden. Sie hatten damit von Anfang an einen ganzheitlichen und intregierenden Anspruch. Die Entwicklung des Fachgebietes und auch in der Außenwahrnehmung betonte jedoch den Aspekt der veränderten und höheren Bewusstseinszustände. Von daher wurde die transpersonale Psychologie und Psychotherapie als eine Spezialisierung betrachtet, vielleicht auch aus dem Hintergrund heraus, dass sie sich selbst als vierte Kraft bezeichnete (von Maslow und Sutich begründet). Der Gegenstand der transpersonalen Psychologie und Psychotherapie war schon immer die Weiterentwicklung des Bewusstseins. Insbesondere der wesentlichste Vordenker in diesem Gebiet, Ken Wilber, hat sich ja hauptsächlich mit der Entwicklung des menschlichen Bewusstseins beschäftigt und ein integrales AQAL-Modell des Bewusstseins entworfen. Die wesentlichsten Beiträge der transpersonalen Bewegung betreffen denn auch die Entwicklungsformen, Stufen und Möglichkeiten des menschlichen Bewusstseins, sowohl individuell als auch kollektiv. Insofern ist die transpersonale Psychologie und Psychotherapie inzwischen Teil einer ganzheitlich verstandenen Bewusstseinswissenschaft. Bewusstseinswissenschaft in diesem Sinne versucht Formen und Strukturen des Bewusstseins zu erkennen und Haltungen, Methoden und Strategien zur Beeinflussung und Veränderung des menschlichen Bewusstseins zu entwickeln. Dies greift dabei sowohl zurück auf die Geisteswissenschaften, einschließlich Psychologie und Psychotherapie, die großen Religionen und spirituellen Wege, als auch die Naturwissenschaften, heute insbesondere die Physik und die Neurobiologie, darüber hinaus auf die Sozialwissenschaften. Es geht hier aber nicht um eine einzelne Perspektive, schon gar nicht um eine Schule oder ein einzelnes Paradigma, sondern um eine aufgeklärte und aufklärende Forschung und Praxis. Eine Bewusstseinswissenschaft ist in diesem Sinne eine Wissenschaft des Weltinnenraumes (s. Artikel von Galuska), um einen Begriff von Rilke zu verwenden. Sie wäre somit ein großes Gegenstück zur Wissenschaft des Äußeren, z.B. auch zur Weltraumforschung. Vielleicht gelingt es hier, wesentliche Einsichten der Menschheit über unser Bewusstsein, unserer Seele und unseren Geist zusammenzutragen und ideologiefreie Methoden und Wege zur Weiterentwicklung des Bewusstseins zu entwickeln. So gibt dann auch der erste Beitrag von Joachim Galuska einen persönlichen und doch allgemeinen Einstieg in diesen sehr großen Bereich der Bewusstseinswissenschaften. Des Weiteren ist besonders: Wir haben es gewagt, den Themenschwerpunkt Forschung festzulegen und haben dazu 5 Berichte von Forschungsprojekten aufgenommen, die sich mit dem Thema „Bewusstsein“ im weitesten Sinne beschäftigt haben.
Wir nennen es gewagt, weil uns bewusst ist, dass es Leserinnen und Leser gibt, die diese „nüchternen“ Artikel nicht so mögen. Dennoch ist uns wichtig, die Wissenschaftlichkeit auch mit Empirie darzulegen, nicht nur mit theoretischen Beiträgen. Und dann haben wir es gewagt, Ihnen mit dem einführenden Überblick über die Grundlagen, Modelle und Visionen von Thilo Hinterberger ein intellektuelles Feuerwerk mit Überlänge zuzumuten, halt einen sehr umfangreichen Überblick über das Forschungsthema „Bewusstsein“. Thilo Hinterberger hat seit März 2010 die Stiftungsprofessur für „Angewandte Bewusstseinswissenschaften“ in Regensburg inne, die von den Heiligenfeld Kliniken, Bad Kissingen gestiftet wurde. Zudem stellt Thilo Hinterberger sich mit diesem Artikel als neues Mitglied des Redaktionsteams dieser Zeitschrift vor. Gudrun Koch-Göppert ist mit ihrer Arbeit auf Spurensuche über die Bewusstseinszustände von Forscherinnen und Forschern verschiedener Disziplinen während des Forschungsprozesses selbst und hat für diesen Bereich einen Fragebogen entwickelt, den Forscherinnen und Forscher als Rückmeldung und Reflexion für ihren Forschungsprozess nutzen können. Susann Vorwerk hat mit Hilfe eines von ihr entwickelten Fragebogens Menschen befragt, die Erfahrungen in verschiedenen Tanzkulturen haben, in welchen Bewusstseinszuständen sich die Personen befinden, je nachdem, in welcher Tanzart sie Erfahrungen gesammelt haben. Liane Hofmann widmet sich in ihrem Forschungsbericht einer umfangreichen Befragung approbierter psychologischer Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten darüber, ob und in welchem Ausmaß und mit welcher Konnotation Themen im Zusammenhang mit Spiritualität und Religion in ihrer Arbeit und/oder als Person Bedeutung erlangt haben. In dem Artikel von Christian Rösler finden Sie gleich mehrere kurze Beschreibungen von Forschungsprojekten, die sich mit unterschiedlichen Fragen der Wirksamkeit Jung’scher Psychotherapie auseinandersetzen. Einen völlig anderen Forschungsansatz zeigt Werner Huth mit der Selbsterforschung seiner Erfahrungen außergewöhnlicher Bewusstseinseinszustände auf: Er reflektiert und kommentiert einige seiner eigenen Erfahrungen.


Wir hoffen und wünschen Ihnen ein inspirierendes Lesevergnügen.

Veröffentlicht
2011-07-25