Editorial

  • Dorothee Wienand-Kranz
Schlüsselwörter: Editorial

Zusammenfassung

Liebe Leserin und lieber Leser, Sie halten dieses Mal ein Heft in den Händen mit sehr unterschiedlichen Artikeln, sowohl thematisch als auch in der Art ihrer Ausführungen. Der erste Beitrag befasst sich mit dem Begriff der Seele, und zwar geht es dort um eine Neubestimmung dieses Begriffes. „Seele“ ist im Wissenschaftsbereich ‚unmodern‘ geworden. So haben mir z.B. vor einigen Jahren Studierende zugetragen, dass eine Neurobiologin in ihrer Vorlesung geäußert haben soll: „Seele, was ist das?“ Und dabei habe sie lächerlich machende Bewegungen ausgeführt. In seinem Beitrag strebt der Kulturphilosoph und Transformationsforscher Maik Hosang eine übergreifende Neudefinition an. Sein Vorgehen basiert auf Seelen-Konzepten des Arztes und Philosophen R.H. Lotze und von C.G. Jung. Für einzelne Wissensgebiete wie Psychologie, Soziologie, Geschichte, Kultur, Ästhetik und Medizin bzw. Gesundheit zeigt er auf, dass jeweils dort auftretende Erscheinungen ohne das Konzept von Seele nicht erklärbar sind. „Grundaspekte eines modernen Begriffs der Seele (lassen sich) umreißen: Die ‚Seele‘ ist ein besonderes Potenzial der menschlichen Psyche, welches über genetische, familiäre und kulturelle Dispositionen und Prägungen einer menschlichen Person hinausgeht. Dieses Potential erwächst aus der innerpsychischen Wechselwirkung mit einem universellen Informations- und Energiefeld, welches traditionell als Gott, Brahma, Tao etc. und modern als Universum, Dunkle Energie, Lebensfeld oder Nullpunkt bezeichnet wird.“ Seiner Begriffsbestimmung der Seele folgen Überlegungen zu weiteren Forschungsfragen. Im nächsten Beitrag geht es auch um eine grundlegende Frage: Im Oktober 2015 fand in Todtmoos die Tagung „Quo vadis- wohin führt der Weg?“ statt. Die Planung der Tagung hatte – wie üblich – einen langen Vorlauf. Und dennoch wurde in den einzelnen Vorträgen auf verschiedene Weise – relativ spontan – auf die aktuelle Flüchtlingssituation eingegangen. So auch in dem Eröffnungsvortrag der Jung‘schen Psychoanalytikerin und Theologin Ingrid Riedel, den wir hier vorfinden. Eindrücklich führt sie aus, dass wir angesichts der Flüchtlingssituation nicht mehr wegsehen können. Anhand der Schilderung einiger Träume ihrer PatientInnen lässt sich diese Verbindung in der EINEN WELT sofort nachvollziehen. So tritt die Angst vor dem Fremden sehr deutlich hervor. Sie beschreibt – mit viel Verständnis für diese Ängste angesichts der vielen fremden Menschen – welch große Chance in der Begegnung mit den Fremden für uns, für die Erweiterung unserer IchGrenzen, für einen Weg zu mehr Ganzheit liegt. Sowohl die Begegnung mit dem äußeren Fremden als auch mit dem Fremden in uns bietet die Möglichkeit, Teile unserer Seele zu integrieren, etwa auch eigene kleinere wie größere Vertreibungserfahrungen, und uns somit angstfreier zu erleben und unsere Identität zu erweitern. Der im Oktober vergangenen Jahres verstorbene Psychoanalytiker Arno Gruen war ein unermüdlicher Kämpfer für die Befreiung von alten Fesseln, ein Kämpfer für den mündigen Bürger, ein Mahner, die Würde des Kindes nicht anzutasten. Er hat sich Zeit seines Lebens mit den psychischen Ursachen von Gewalt und Fremdenhass beschäftigt. Ulla Pfluger-Heist würdigt mit ihrem Artikel das Werk Arno Gruens, „sein tiefgründiges Nachdenken über das, was Menschlichkeit ausmacht, wie sie zerstört und wie sie wiedergefunden und vertieft werden könnte“. Anhand der vielleicht wichtigsten Veröffentlichungen veranschaulicht sie seine Leidenschaft für ein Leben „in Mitgefühl und Liebe, die die Wandlung zu einem wahren Selbst machen“. Das mit einem Preis ausgezeichnete Buch „Der Fremde in uns“ legt sie uns wegen der erschreckenden Akualität als ‚Pflichtlektüre‘ ans Herz. Seine Besonnenheit wird verdeutlicht, die niemals missionieren, sondern zum Nachdenken und Nachfühlen, zum Selbständigwerden, zum Erwachen aufrufen will, zum Lebendigsein. Aber auch sein Kampfgeist, in der Trilogie „Wider den Gehorsam“, „Wider den Terrorismus“, „Wider die kalte Vernunft“ ist ein bedeutender Aspekt seines Denkens. Wer Arno Gruens Wirken bisher nicht kannte, der möchte – so glaube ich – nach dieser Würdigung seine Arbeiten studieren und vielleicht auch den einen oder anderen Vortrag hören. Vor einigen Jahren hat Susann Vorwerk in ihrem Artikel „Das tanzende Bewusstsein – Veränderungen der Alltagswirklichkeit“ (Heft 2 /2011) in ihrer Forschungsarbeit aufgezeigt, dass und wie sich Tanzen auf das Bewusstsein auswirkt. Sie untersuchte mit Hilfe eines Fragebogens Personen, die verschieden stark strukturierte Tanzformen (Standard, Latein , spirituelle Tänze, Kontaktimprovisation, orientalische Tänze und Bühnentanz) ausübten. Dabei wurde u.a. deutlich, dass, je freier die Tanzformen waren, desto eher sich ihr Bewusstsein erweiterte, z.B. zum Flow-Erleben, zu emotionaler Offenheit oder transpersonalem Erleben. Volker Schmidt nun lässt uns in seinem Artikel an seinen Erfahrungen teilhaben, die er in „geglückten“ Momenten beim Argentinischen Tango gemacht hat: Wenn das Ego nicht mehr die Führung übernimmt, sondern das Fühlen des Kontaktes, der Musik, der Bewegungen im Mittelpunkt steht, gibt es nur noch Einssein. In seinen Ausführungen nimmt er uns mit in diese andere Dimension, auch wenn man gar keine Ahnung hat, wie argentinischer Tango getanzt wird. Den leidenschaftlichen ersten Aufruf „Zur Psychosozialen Lage in Deutschland“ hat Joachim Galuska zusammen mit zwei anderen Kollegen u.a. bereits in dieser Zeitschrift in Heft 1 von 2011 veröffentlicht. Die Unterzeichner listeten auf, was in Deutschland bezüglich der gesundheitlichen und sozialen Versorgung im Argen liegt. In dieser Ausgabe wird ein erneuter „Aufruf zum Leben“ abgedruckt, der schon vor einiger Zeit an die Unterzeichner des ersten Aufrufs verteilt wurde. Sie können gern auf der entsprechenden Internetseite ebenfalls zeichnen sowie den Aufruf an geeignete Personen weiterleiten. Zum Schluss möchte ich mich – auch im Namen des gesamten Redaktionsteams – entschuldigen für die manchmal sehr verzögert erscheinenden Ausgaben dieser Zeitschrift. Wir können Ihren Unmut darüber verstehen. Gleichzeitig möchte ich ein bisschen erklären, wie diese Verzögerungen manchmal unvorhergesehen zustande kommen können: Im gesamten Team planen wir 3 Ausgaben im Voraus, ob und wenn ja, welches Schwerpunktthema und welche beiden Redakteure die jeweilige Ausgabe bearbeiten werden. Dann kann es geschehen, dass ein vorher schon begonnenes Projekt, in das ein Redaktionsmitglied beruflich eingebunden ist, viel länger dauert, sodass keine Zeit für die Bearbeitung der vorgesehenen Zeitschriftenausgabe zur Verfügung steht. Oder eines der beiden Teammitglieder erkrankt. Eng wird es auch, wenn AutorInnen die verabredete Abgabefrist nicht einhalten (können).Und gar nicht vorhersehbar ist, wenn eingeplante Autoren kurzfristig abspringen, wie etwa für diese Ausgabe. Dann steht die Entscheidung an, noch jemand anderes zu finden, was eine zeitliche Verzögerung zur Folge hat, oder sich mit einer schmaleren Ausgabe zufrieden zu stellen. Manchmal kommen noch computertechnische Pannen hinzu, mit denen wir nicht gerechnet haben. So bitten wir Sie um Verständnis und manchmal um Geduld. Eine ganz andersgeartete Bitte folgt noch: Die Themen und die Auswahl der Autoren und Autorinnen wählen wir aus. Dabei wissen wir eigentlich gar nicht, ob wir Ihr Interesse treffen, Ihren Ansprüchen und Ihren Wünschen entsprechen. Scheuen Sie sich daher nicht, uns mitzuteilen, welche Aspekte der Bewusstseinswissenschaften Sie interessieren, von welchen Autorinnen und Autoren Sie etwas erfahren möchten. Scheuen Sie sich auch nicht, uns Rückmeldung zu geben, befürwortende ebenso wie ablehnende.
Nun wünsche ich Ihnen Anregung, Erkenntnis und Erfüllung beim Lesen dieser Ausgabe.

Mit herzlichen Grüßen! Dorothee Wienand-Kranz

Veröffentlicht
2016-07-20